Jakarta: Große Moschee und Katholische Kirche in unmittelbarer Nachbarschaft (Foto: 1992) |
Ich verehre nicht,
was ihr verehrt,
Noch verehrt ihr,
was ich verehre.
Und ich werde nicht verehren,
was ihr verehrt,
Noch werdet ihr verehren,
was ich verehre.
Ihr habt eure Religion,
und ich habe meine!"
Sure 109, Verse 1-6
(s.u. Anm 1)
was ihr verehrt,
Noch verehrt ihr,
was ich verehre.
Und ich werde nicht verehren,
was ihr verehrt,
Noch werdet ihr verehren,
was ich verehre.
Ihr habt eure Religion,
und ich habe meine!"
Sure 109, Verse 1-6
(s.u. Anm 1)
Islam in Post-Reformasi Indonesia: The End of Tolerance?
Bericht
zur Konferenz: Universität Bonn, 13.01.2018 - 14.01.2018
von Eckhard Freyer
Das Konferenzprogramm: hier
Einleitung
Die
Veranstalter:
Institut für Orient- und Asienwissenschaften der Universität Bonn und
die Stiftung Asienhaus in Köln setzen sich für die Verwirklichung der Menschenrechte, für die Stärkung gesellschaftlicher und politischer Teilhabe, sowie für soziale Gerechtigkeit und den Schutz der Umwelt ein. Sie fordert von Politik und Wirtschaft die Verwirklichung sozialer, ökologischer und menschenrechtlicher Standards. Wir sind heute Zeugen einer Globalisierung, die den Gegensatz zwischen Arm und Reich verschärft und die Lebensgrundlagen der Menschen in vielfältiger Weise bedroht. Denn in einem aufsehenerregenden Blasphemieprozess gegen den amtierenden christlichen Gouverneur von Jakarta, Basuki Tjahaja Purnama, hat ein indonesisches Gericht den Politiker zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Richter befanden Purnama wegen abfälliger Bemerkungen über den Koran der Gotteslästerung für schuldig. Zugleich ordneten sie die sofortige Verhaftung des 50-Jährigen an. Mit dem Urteil ging das Gericht über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinaus. Diese hatte eine einjährige Haftstrafe auf Bewährung gefordert. Purnama hatte bei einer Wahlkampfveranstaltung im Herbst dem Chef der radikalen islamischen Verteidigungsfront (FPI) vorgeworfen, mit einem Vers aus dem Koran Muslime an der Wahl des Christen hindern zu wollen. Ein Videomitschnitt der Rede sorgte im Internet für Aufruhr, rund 400.000 Menschen gingen gegen den seit 2014 amtierenden Gouverneur auf die Straße. Das Verfahren überschattete auch die Gouverneurswahl in Jakarta, die als Stimmungstest für den Umgang Indonesiens mit Minderheiten galt. Mit mehr als 200 Millionen Muslimen ist der Inselstaat das bevölkerungsreichste muslimische Land der Welt. Christen gehören mit etwa 20 Millionen zu den Minderheiten. Aus europäischer Perspektive tropische Inseln als Teil des Pazifischen Feuerrings: Erdbeben und vulkanische Aktivitäten gehören dazu doch meist im Schatten anderer aufstrebender Mächte wie Indien oder China. Indonesien ist ein Land größter Gegensätze:
Institut für Orient- und Asienwissenschaften der Universität Bonn und
die Stiftung Asienhaus in Köln setzen sich für die Verwirklichung der Menschenrechte, für die Stärkung gesellschaftlicher und politischer Teilhabe, sowie für soziale Gerechtigkeit und den Schutz der Umwelt ein. Sie fordert von Politik und Wirtschaft die Verwirklichung sozialer, ökologischer und menschenrechtlicher Standards. Wir sind heute Zeugen einer Globalisierung, die den Gegensatz zwischen Arm und Reich verschärft und die Lebensgrundlagen der Menschen in vielfältiger Weise bedroht. Denn in einem aufsehenerregenden Blasphemieprozess gegen den amtierenden christlichen Gouverneur von Jakarta, Basuki Tjahaja Purnama, hat ein indonesisches Gericht den Politiker zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Richter befanden Purnama wegen abfälliger Bemerkungen über den Koran der Gotteslästerung für schuldig. Zugleich ordneten sie die sofortige Verhaftung des 50-Jährigen an. Mit dem Urteil ging das Gericht über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinaus. Diese hatte eine einjährige Haftstrafe auf Bewährung gefordert. Purnama hatte bei einer Wahlkampfveranstaltung im Herbst dem Chef der radikalen islamischen Verteidigungsfront (FPI) vorgeworfen, mit einem Vers aus dem Koran Muslime an der Wahl des Christen hindern zu wollen. Ein Videomitschnitt der Rede sorgte im Internet für Aufruhr, rund 400.000 Menschen gingen gegen den seit 2014 amtierenden Gouverneur auf die Straße. Das Verfahren überschattete auch die Gouverneurswahl in Jakarta, die als Stimmungstest für den Umgang Indonesiens mit Minderheiten galt. Mit mehr als 200 Millionen Muslimen ist der Inselstaat das bevölkerungsreichste muslimische Land der Welt. Christen gehören mit etwa 20 Millionen zu den Minderheiten. Aus europäischer Perspektive tropische Inseln als Teil des Pazifischen Feuerrings: Erdbeben und vulkanische Aktivitäten gehören dazu doch meist im Schatten anderer aufstrebender Mächte wie Indien oder China. Indonesien ist ein Land größter Gegensätze:
Auf 17 000
Inseln verteilen sich über 300 Ethnien. Den demokratischen
Entwicklungen stehen Probleme wie Armut und wachsende religiöse
Spannungen gegenüber. http://www.bpb.de/apuz/75757/indonesien
2.
Basis of the conference
Often
taken as a role-model for a successful synthesis of Islam and
pluralism in the past, Indonesia’s image of a tolerant country has
been tarnished in recent years. Religious minorities like Ahmadis and
Shiites, human rights activists and people of non-binary gender
identity became targets of fundamentalist groups. The state often
failed to ensure the rights and safety of the threatened. Rather,
politics and the state became also influenced by a new
conservativism, most often by applying religion as political capital.
In the course of the trial against the former Christian governor of
Jakarta and huge demonstrations carried out by Islamist groups, the
national motto of "Unity in Diversity" (Bhinekka Tunggal
Ika) has again become a subject of debates.
The
conference "Islam in Post-Reformasi Indonesia: The End of
Tolerance? Re-negotiating the Relations between State and
Society" aims to bring together scholars from different
disciplines as well as people from civil society, media and
government. We hope to get a better insight into current developments
in Indonesia since the re-negotiation of the relation between Islam,
pluralism and democracy. This is also an important point of reference
for ongoing discussion in other Muslim societies.
The
following questions were discussed:
-
Is unity still possible in the course of the growing influence of hard-line-organizations demanding the superiority of Sunni Islam in Indonesia?
-
What does "diversity” mean in a country where the practicing of indigenous and other minority beliefs are more and more restricted?
-
Moreover, can the tolerance expressed in the motto of Bhinekka Tunggal Ika be maintained and used as a blueprint for other Muslim societies?
-
Which role do state and religious institutions such as the Nahdlatul Ulama and Muhammadiya take within the context of conflicting ideas of religion and pluralism?
-
Is the world’s third largest democracy culturally and institutionally prepared for the challenges of radical Islam?
3.
Historische Aspekte
Als
politische Ideologie wurde der Islam von den niederländischen
Kolonialherren unterdrückt, vor allem als sich Anfang des 20.
Jahrhunderts, insbesondere unter arabischem Einfluss, neue Strömungen
herausbildeten und islamische Organisationen formierten. 1912 bildete
sich die von reformistischen Ideen inspirierte,
modernistische Muhammadiyah, deren Gründung wiederum einer der
auslösenden Faktoren für die Entstehung eines traditionalistischen
Pendants war, der Nahdatul Ulama im Jahre 1926. Die
koloniale Schwächung des politischen Islams hatte zur Folge, dass
sich zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit im Jahre 1945 moderate Muslime
und Angehörige religiöser Minderheiten gegen Islamisten, die in
einem Verfassungszusatz die Befolgung der Scharia zur Pflicht aller
Muslime machen wollten, durchsetzen konnten. Obwohl sich seit den
1950er Jahren nach Ansicht der meisten Indonesien-Experten und
Islamwissenschaftler eine viele Bereiche umfassende Islamisierung
vollzogen hat, lässt sich eine Schwächung islamischer bzw.
islamistischer Parteien konstatieren. 1955 bekamen die beiden
stärksten islamischen Parteien (die in der Verfassunggebenden
Versammlung Ende der 1950er Jahre islamistische Positionen
einnahmen), Nahdatul Ulama und Masyumi, zusammen knapp
40 Prozent der Stimmen. Bei den Wahlen 1999, den ersten fairen und
freien Wahlen seit 1955, waren säkular orientierte Parteien
eindeutig am erfolgreichsten. Präsident Sukarno (1945-1967) griff in
den ersten Regierungsjahren die gesellschaftliche Partizipation am
Aufbauprozess des unabhängigen Indonesiens auf. Ab der "gelenkten
Demokratie" (1959) und spätestens in der "Neuen Ordnung"
unter General Suharto (1967-1998) hatte die gesellschaftliche
Komponente einem rein ökonomisch durchdachten Entwicklungsansatz zu
weichen.
Seit Sukarno
dem 240-Millionen-Volk vor 70 Jahren die "Einheit in der
Vielfalt" verordnet hat, hat sich ein starkes
Nationalbewusstsein entwickelt. 42 Prozent der etwa 240 Millionen
Indonesier sind ethnische Javaner. Diese dominieren das politische,
wirtschaftliche und kulturelle Leben des gesamten Landes. Mit der
Vielfalt und Toleranz gegenüber Andersdenkenden tun sich allerdings
immer noch viele schwer.
4.
Aktuelle Entwicklung
Die
Demokratisierung ab 1998 hat islamistischen Kräften neue
Möglichkeiten zur Verbreitung ihrer Ideen gegeben
Besorgniserregend ist auch die zunehmende religiöse Intoleranz und
Radikalisierung islamistischer Gruppen im bevölkerungsreichsten
muslimischen Land der Welt. Christliche Kirchen sehen sich und ihre
Mitglieder seit einigen Jahren verschärft schikaniert und, meist
unter Vorschiebung bürokratischer Gründe wie fehlender
Genehmigungen, an der Ausübung des Gottesdienstes gehindert. Doch
sind es weniger die Behörden, als vielmehr radikalislamische
Gruppierungen wie die FPI ("Front der Verteidiger des Islams"),
die sich als Moralwächter aufspielen. Zahllose Kirchen wurden in den
vergangenen Jahren - ungeahndet - offen oder klammheimlich
niedergebrannt und der zunehmende Einfluss konservativer Muslime.
Seit mehreren Jahren werden in zahlreichen Distrikten Verordnungen
erlassen, die sich an der Scharia orientieren; sie verbieten
Prostitution, Alkoholkonsum und Glücksspiel oder schreiben bestimmte
Kleidungsformen und Verhaltensweisen insbesondere für Frauen vor. In
der Provinz Aceh auf der Insel Sumatra wurde 2009 sogar das
islamische Strafrecht eingeführt, das unter anderem Steinigung bei
Ehebruch vorsieht. 2008 setzten konservative Politiker im
indonesischen Parlament das Pornografie-Gesetz durch: Es sieht hohe
Strafen für vage definierte "unzüchtige" Darstellungen
und Handlungen vor. Ein interministerielles Dekret erteilte vor ein
paar Jahren Angehörigen der Ahmadiyya-Sekte die Erlaubnis, sich zu
versammeln, nicht aber ihre Lehre zu verbreiten, woraufhin die Sekte
vermehrt zur Zielscheibe von Islamisten wurde. Nach Angaben der
indonesischen Nichtregierungsorganisation Setara kam es 2007 aus
religiösen Gründen zu insgesamt 135 Angriffen auf Mitglieder
anderer Glaubensgemeinschaften, 2010 waren es 216 und 2011 244. Als
im Februar 2011 ein Priester von einem Distriktgericht wegen
Blasphemie zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt wurde, griffen
Extremisten, denen das Urteil zu mild war (sie forderten die
Todesstrafe), drei Kirchen in Temanggung (Zentraljava) an. Die
Zunahme interreligiöser Spannungen und die größere Präsenz einer
Vielzahl islamistischer Organisationen ist eine Folge der
demokratischen Öffnung, die radikalen Muslimen neue Freiräume
eröffnet hat, und der Globalisierung, die transnationale Einflüsse
verstärkt und zugleich das Bedürfnis nach einer deutlichen
Unterscheidung zwischen dem Eigenen und dem Fremden wachsen lässt.
In Indonesien führt dies zu einer Pluralisierung und verminderter
Toleranz gegenüber Minderheiten
zugleich: http://www.bpb.de/apuz/75768/politischer-islam-in-indonesien-seit-1998?p=all
Anmerkungen
1. In der Sure 109, Verse 1-6, die mit der Aufforderung "Sprich" beginnt, legt Gott seinem Propheten Mohammed die Worte in den Mund, die er an seine mekkanischen Landsleute richten soll. Ihnen wird überdeutlich klar gemacht, dass Mohammed einen anderen Glauben hat als sie. Der letzte Vers leitet daraus die Forderung ab: "Ihr habt eure Religion und ich habe meine!"
Die Diskriminierung anderer Religionen zieht sich wie ein roter Faden durch die islamische Geschichte. Da der Islam für seine Gläubigen die einzig wahre und letztgültige Religion ist, können andere Religionen per se nicht gleichberechtigt sein.
Deshalb kennt der Islam keine religiöse Toleranz; sie ist ein Wunschbild des Westens:
http://www.deutschlandfunk.de/sure-109-der-islam-kennt-keine-religioese-toleranz.2395.de.html?dram:article_id=407920
Deshalb kennt der Islam keine religiöse Toleranz; sie ist ein Wunschbild des Westens:
http://www.deutschlandfunk.de/sure-109-der-islam-kennt-keine-religioese-toleranz.2395.de.html?dram:article_id=407920
Dass aber die Anhänger dieses Wunschbildes selbst nicht mehr daran glauben, zeigt sich immer häufiger in der vorauseilenden Unterwürfigkeit, mit der in Europa christliche Positionen geräumt werden. Vielerorts werden in der Öffentlichkeit keine Christbäume mehr aufgestellt, in der Schule werden keine Weihnachtslieder mehr gesungen, und als bisheriger Höhepunkt legten zwei deutsche Bischöfe auf dem Jerusalemer Tempelberg ihre Kreuze ab, um den muslimischen Hausherren "ihren Respekt" zu bezeugen. Wäre es nicht an der Zeit, dass sich Europa auf Sure 109 besinnt: "Ihr habt eure Religion und ich habe meine!"?
Vgl. Willi Steul (Hg.): "Koran erklärt". Berlin: Suhrkamp 2017 --- Rezension: hier
Stellungnahme der Ev. Kirche im Rheinland: http://www.ekir.de/www/downloads/DS30FuerdieBegegnungmitMuslimen.pdf "
Für die Begegnung mit Muslimen. Theologische Positionsbestimmung." Ein vierzigjähriges Engagement im christlich-muslimischen Dialog, von der Wertschätzung der Muslime für Jesus und vom Willen, auch in schwierigen Zeiten am Dialog festzuhalten. Der Dialog ziele heute auf das gegenseitige Kennenlernen, das Aushalten von Differenzen, und - ein Paradigmenwechsel im Missionsverständnis?- "nicht aber auf eine Konversion zur jeweils anderen Religion."
Dazu: Evangelische Kirche im Rheinland: Abkehr von der Missionierung. Deutschlandfunk, 09.02.2018: hier
- Indonesien als Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2015
Bericht: hier - Erster internationaler Gipfel moderater muslimischer Führer
2016 in Indonesien:
Deklaration: Für ein friedvolles Miteinander weltweit - Themenseite: Maghreb, Mittlerer Osten und Süd(-Ost)Asien
- Hans-Dieter
Striening: Das Osterinsel-Syndrom:
Bevölkerungswachstum-Armut-Arbeit-Wohlstand.
Düseldorf / Berlin 2001 - Reinhard
Schulze: "Geschichte der Islamischen Welt. Von 1900 bis zur
Gegenwart"
C.H Beck München 2016 - Ludger
Kühnhardt /Tilman Mayer (Hg.): Bonner Enzyklopädie der Globalität.
Band 2.
Wiesbaden: 2017, 1627 S. - Eckhard
Freyer:
--- Zu den Auswirkungen reduzierter Öleinnahmen
auf die Entwicklung Saudi-Arabiens und die Weltwirtschaft.
In: Orient, Heft 2/1984, S. 204 – 222
--- Die Golfstaaten zwischen Ölboom und Ölpreisverfall.
Aus Politik und Zeitgeschehen. Beilage zu
Das PARLAMENT, B 18/1986 v. 3.5.1986, S. 30 – 45.
--- Externe Einflüsse auf traditionelle Kulturen in der Golfregion,
in: Pawelka/A. Maho Aves: Arabische Golfstaaten in der Krise, Frankfurt M. 1990, S.32-64.
--- Die wirtschaftliche Entwicklung der asiatischen Schwellenländer;
in ZfK 4/1991, S. 500- 522.
Ethik der Finanzmärkte und Globalisierung in islamischen Ländern,
in: Religionen im Gespräch, Bd. 7 (RIG 7)2002, S. 168 – 185
Prof. Dr. Eckhard Freyer, Bonn, verfolgt im Rahmen seiner Forschungsarbeiten seit Jahrzehnten auch die Situation in Indonesien.
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