Freitag, 28. Oktober 2016

Muslimische Solidarität für Christen: Die Ermordung eines Priesters und das Beispiel der Al-Azhar-Universität

Dorfkirche
von Saint Étienne de Rouvray

(wikipedia.fr)
„Karawane des Friedens“ 
verneigt sich vor 

27.10.2016 - Radio Vatikan

Wieder so eine Nachricht, die keine großen Schlagzeilen macht, obwohl sie wichtig ist: Eine Delegation der al-Azhar-Universität von Kairo ist in Frankreich. Sie hat dort am Mittwoch die Dorfkirche von Saint-Etienne du Rouvray besucht, in der IS-Terroristen im Sommer den Pfarrer Jacques Hamel umgebracht haben. Begleitet wurde sie von Bischof Lebrun von Rouen.

Die al-Azhar ist eine der wichtigsten Autoritäten im sunnitischen Islam, und sie bezeichnet ihre Aktion als „Karawane des Friedens“. Es gibt sie also, die muslimischen Verantwortlichen, die sich klar von Gewalt und Terrorismus distanzieren.
„Die al-Azhar-Universität hat schon ein paar Tage nach dem Mord an Pater Hamel Kontakt mit uns aufgenommen“, berichtet Vincent Feroldi; der Priester ist von seiten der Französischen Bischofskonferenz für die Beziehungen zu den Muslimen zuständig. „Die Dozenten der Universität waren sehr betroffen über das Drama, das sich abgespielt hatte, und wollten den Christen ihre Solidarität bezeugen, und zwar am Ort des Geschehens. Damit wollten sie unterstreichen, dass der Islam eine Religion des Friedens ist und sein soll, und dass das Geschehene überhaupt nicht in Einklang zu bringen ist mit dem, was der Islam aus ihrer Sicht ist.“

Besuch von der al-Azhar-Universität
Zu der Delegation aus Kairo gehören Dozenten der al-Azhar und Mitglieder des muslimischen „Rates der Weisen“. Eine erste „Karawane des Friedens“ hatte letztes Jahr Frankreich besucht, nach den Attentaten auf „Charlie Hebdo“ und den „Hyper Cacher“-Supermarkt. „Es hat auch schon eine solche Friedenskarawane nach Zentralafrika gegeben, nachdem dort 2015 blutige Gewalt zwischen Christen und Muslimen hochgekocht war. Die al-Azhar will sich radikal distanzieren von dieser Gewalt, mit der der Islam instrumentalisiert und entstellt wird.“
Nun mag ein Kritiker einwenden, dass die Haltung der Kairorer Lehrstätte durchaus nicht frei ist von Zweideutigkeiten; nicht immer war, nicht immer ist das Bekenntnis zu strikter Gewaltlosigkeit im Umgang mit Angehörigen anderer Religionen so deutlich. Doch es tut  gut, das friedliche Gesicht, das Ägyptens offizieller Islam nach außen zeigt, übrigens auch in den wieder anlaufenden Gesprächsbeziehungen zum Vatikan.

Eine Dynamik ausgelöst
„Es ist schön, zu sehen, dass die tragischen Ereignisse in der al-Azhar-Universität eine Dynamik auslösen. Die Friedens-Karawane wird in vielen Gesprächen vorbereitet und begleitet; in diesem Frühjahr konnte eine Übereinkunft zwischen al-Azhar und dem „Institut Catholique de Paris“ (der katholischen universitären Einrichtung der französischen Hauptstadt) unterzeichnet werden, darin wurde ein Austausch von Dozenten vereinbart, und dass Lehrkräfte beider Seiten zu Konferenzen und Kolloquien der jeweils anderen Universität eingeladen werden. Da bahnt sich eine Zusammenarbeit auf akademischem Niveau an.“
Der ägyptische Präsident al-Sisi, der sich vor allem auf der Sinai-Halbinsel mit islamistischen Terroristen auseinandersetzen muss, steht hinter dem neuen Kurs von al-Azhar, wenn er ihn nicht sogar mit ausgelöst hat. al-Sisi pocht auf eine gewaltfreie Interpretation von Koran und Hadith, er ermuntert die Kontakte al-Azhars zum Ausland. Die Universität fordert mittlerweile dazu auf, die heiligen Texte des Islam durch die Brille der Vernunft zu lesen. „Das ist wirklich interessant. Denn sobald man in diesem Bereich an die Vernunft appelliert, ordnet man die heiligen Texte einer bestimmten, spezifischen Epoche der Menschheit zu. Das macht sie heute interpretierbar, im Licht der Vernunft und der zeitgenössischen Kultur.“
(rv 27.10.2016 sk)

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