Freitag, 21. September 2018

Überlebende des Holocaust: Anita Lasker-Wallfisch ---- Der Unwissenheit entgegensteuern

Anita Lasker-Wallfisch am 17.09.2018 bei einer Veranstaltung der
Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Lüdenscheid
In einer Zeit, in der Rassismus und Antisemitismus am rechten Rand der Demokratie teilweise wieder gesellschaftlich hingenommen und akzeptiert werden, sind die Stimmen derjenigen umso wichtiger, die das Grauen des Holocaust überlebt haben und trotz ihres hohen Alters als Zeitzeugen durch das Land reisen und besonders junge Menschen erinnern, wie furchtbar die Saat der Menschenverachtung aufgehen kann.

Eine der Überlebenden von Auschwitz ist Anita Lasker-Wallfisch. Sie wurde 1925 als dritte Tochter einer angesehenen jüdischen Anwaltsfamilie in Breslau geboren. Obwohl die antijüdischen Repressionen zunahmen, erkannten die Eltern erst nach der sog. Reichskristallnacht, dass das Nazi-Regime die systematische Vernichtung der Juden plante. Den Eltern gelang  es 1939 noch vor dem Ausbruch des Krieges, die älteste Schwester nach England in Sicherheit zu bringen, während die beiden jüngeren Schwestern in Breslau bleiben mussten.
1942 wurden die Eltern deportiert und ermordet. Die Schwestern arbeiteten als Zwangsarbeiterinnen in einer Papierfabrik. Dort fälschten sie Pässe für französische Zwangsarbeiter. Sie wurden entdeckt und kamen als Verbrecher für ein Jahr ins Gefängnis von Breslau. Geradezu ein Glück: Verbrecher wurden besser behandelt als Juden!
Die Schwestern wurden getrennt und kamen 1943 - nicht mit den Judentransporten in den Viehwagen, sondern mit einem Gefängnistransport - nach Auschwitz, wo sie sich durch einen ungeahnten Zufall wiederfanden.
Ein weiteres Glück: Die Autorin wurde als Cellospielerin in die Lagerkapelle, das sog. Mädchenorchester, aufgenommen. Das rettete ihr und damit auch ihrer Schwester Renate das Leben. Ende 1944 wurden beide nach Bergen-Belsen transportiert. Ehe sie von englischen Truppen befreit wurden, erlebten sie noch entsetzliche Tage des Hungers, der Kälte, des Regens und des Gestanks nicht mehr beerdigter Leichen.

Ihre Erfahrungen schrieb die Autorin nieder - ursprünglich für ihre Enkel. Aber dieser Bericht zusammen mit zahlreichen Briefen der Familie an die Schwester in England lässt nur ein wenig ahnen, welches Grauen die Autorin überlebte. Sie selbst sieht es auch als einen Versuch an, "das Unbeschreibliche zu beschreiben".
In England heiratete sie den auch aus Breslau stammenden Pianisten Peter Wallfisch (1924-1993), mit dem sie zwei Kinder bekam. Sie spielte wieder als Cellistin und war Mitbegründerin des English Chamber Orchestra.

Durch Konzertreisen kam sie auch zurück nach Deutschland. Schlüsselerlebnisse in Soltau und in Bergen-Belsen führten dazu, dass die Autorin seitdem verstärkt auf Lesereisen besonders jungen Menschen deutlich macht, wie wichtig es ist, Unwissenheit zu überwinden und die Geschichte des Holocaust nicht kleinzureden oder zu verdrängen.



Diskussion mit Schülern in Lüdenscheid am 17.09.2018




Anita Lasker-Wallfisch:
Ihr sollt die Wahrheit erben

Die Cellistin von Auschwitz. Erinnerungen
Mit einem Vorwort von Klaus Harpprecht.
Reinbek b. Hamburg: Rowohlt (rororo TB)
2000, 256 S., viele Auflagen 
Der Journalist Klaus Harpprecht (1927-2016) war mit
Renate Lasker (
Anitas Schwester) verheiratet.
Interview von Giovanni di Lorenzo
mit Renate Lasker-Harpprecht:

"Auschwitz erlaubt keine Rührung"
(Die ZEIT, 30.04.2014)
Englischer Originaltitel:
Inherit the Truth 1939-1945 
The Documented Experiences of a Survivor
of Auschwitz and Belsen
 
London: Giles de la Mare Publishers 1996, 1st edition, 184 pp.







Gegen das Vergessen laut werden ... !

Die mahnende Zeitzeugin mit ihrer Tochter Maya Jacobs-Wallfisch 

CC 

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